Evangelische Öffentliche Bücherei der Lukaskirche
Lindenplatz 12, 41564 Kaarst-Holzbüttgen
Tel.: 02131 / 76 68 70 Mobil: 0177 / 64 75 989 (während der Öffnungszeiten)
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Literatur
Bücher ermöglichen es, an ferne Orte zu reisen, fremde Menschen kennenzulernen, neue Eindrücke und Erlebnisse zu gewinnen – und das alles, ohne das heimische Wohnzimmer zu verlassen. Die engagierten Teams der Büchereien der Ev. Lukaskirche, Lindenplatz 6. und des Haus Regenbogens in Kaarst freuen sich auf Ihren Besuch und geben Ihnen gerne Literaturtipps. Von ihnen stammen auch die liebevoll zusammengefassten Buchrezensionen, die Sie weiter unten auf der Seite finden. Jedes der hier vorgestellten Bücher finden Sie zur Ausleihe in der Gemeindebücherei der Lukaskirche, Lindenplatz 6, Kaarst.
Schauen Sie einfach in unseren Online-Katalog unter www.bibkat.de und geben Sie unter
Meine Bibliothek: „Kaarst“ ein, und klicken dann die Ev. Öffentliche Bücherei der Lukaskirche an.
Die folgenden Rezensionen bereiten bereits beim lesen Vorfreude auf das vorgestellte Buch!
Wenn es Ihnen ebenfalls so geht, kommen Sie gerne in die Evangelische Bücherei der Lukaskirche und leihen sich die hier vorgestellten Bücher aus.
Alte Mädchen.
Julia Wolf. Frankfurter Verlagsanstalt 2022. 284 Seiten.
ISBN: 978-3-627-00298-5. 24,00 Euro
Else, Anni und Hannelore sind drei „Marjellchen“ über neunzig Jahre alt und leben in einem Altersheim. Die alten Damen teilen das gleiche Schicksal. Sie sind als junge Frauen aus ihrer Heimat Ostpreußen geflohen und haben viel Leid erfahren müssen. Eine ihrer Enkeltöchter hat sie gebeten, Fotos von ihnen zu machen. Diese sollen dann für eine Werbekampagne für Seniorenheime verwendet werden.
In der zweiten Geschichte dreht sich alles um Gudrun und ihre Schwester Gerlinde. Die beiden und die polnische Pflegerin ihrer verstorbenen Mutter sitzen im Auto. Sie sind auf dem Weg nach Polen. Geldmangel zwingt die beiden Schwestern, die Polin in ihr Heimatdorf zurückzufahren. Gudrun spricht die ganze Fahrt über auf die Mailbox ihrer Nichte Tini, die in Kambodscha lebt. Die Tante erzählt, wie tragisch ihr Leben und das von Tinis Mutter Gerlinde bisher verlaufen ist.
Jenny erwartet ihr erstes Kind. Sie hat ihre beiden Jugendfreundinnen Thao und Undine für ein Wochenende zu sich eingeladen. Die jungen Frauen um die Dreißig erinnern sich an ihre gemeinsame Jugend in den 1980er/1990er Jahren. Jede für sich stellt fest, dass sie heute nur noch wenig Gemeinsames verbindet.
Es sind Geschichten aus drei Frauengenerationen, die geprägt sind von der Zeit in die sie geboren wurden und aufgewachsen sind. Die Autorin schreibt in kurzen Sätzen und skizziert damit das Leben unserer Großmütter, Mütter und Töchter von heute.
Rezension: Monika Kaless
Der Nachtwächter.
Louis Erdrich
Aufbau-Verlag. 2021. 448 Seiten
Amerika 1953: Thomas Wazhashk arbeitet als Nachtwächter in einer Lagersteinfabrik in Turtle Mountain in North Dakota. Er ist indianischer Abstammung und froh, dass er einen der wenigen bezahlten Jobs hat. Denn die meisten Chippewa-Indianer, die in diesem Reservat leben, sind sehr arm und auf Staatshilfe angewiesen. Thomas ist Stammesältester und kümmert sich sehr gewissenhaft um die Belange seines Stammes. Er erfährt, dass die amerikanische Regierung in Washington an einem Gesetzesentwurf arbeitet, sämtliche staatliche Unterstützung für die indianische Bevölkerung einzustellen. Thomas und seine Stammesbrüder und Schwestern versuchen alles um dies zu verhindern.
Die Autorin, selbst indianischer Abstammung, erzählt anhand mehrerer Protagonisten, wie die Indianer ihr mühsames, ärmliches Leben im Reservat gestalten. Da ist Patrice, die versucht, ihre Schwester, die in der Großstadt verschollen ist, zu finden. Ihre Mutter Zhaanat lebt ganz in den indianischen Traditionen. Der rote Faden, der alle Personen im Roman verbindet, ist der gemeinsame Protest gegen die Terminationspolitik, die weitere Enteignungen der amerikanischen Ureinwohner vorantreibt und die heute fast in Vergessenheit geraten ist. Für alle Büchereien sehr zu empfehlen.
Rezension: Monika Kaless
Wir sehen uns zu Hause.
Christiane Wünsche.
Fischer 2022. 413 Seiten
Anne und ihr Mann Peter haben eine längere Reise mit ihrem alten Wohnmobil durch die Länder im Norden Europas geplant. Doch dazu kommt es nicht mehr. Denn ganz plötzlich stirbt Peter. Nach reiflicher Überlegung macht sich Anne von Kaarst aus allein auf den Weg. Sie hat einen Karton mit alten Fotos ihres Mannes dabei, die aus seiner Zeit in der ehemaligen DDR stammen. Die beiden haben sich erst 1989 beim Fall der Mauer in Berlin kennengelernt und bald darauf geheiratet. Aus diesem Lebensabschnitt hat ihr Partner ihr nie etwas erzählt. Anne kann sich gar nicht erklären, warum Peter die Bilder überhaupt aufgehoben hat. Die Fahrt verläuft dann ganz anders als geplant. Denn anhand der Fotografien begibt sich Anne auf Spurensuche nach Peters früherem Leben im Osten Deutschlands. Auf ihrer Tour trifft sie nicht nur auf nette und hilfsbereite sondern auch auf weniger sympathische Menschen. Sie lernt die Landschaft kennen und ist überrascht von ihrer Schönheit. Sie erfährt viel über das Leben in der früheren DDR und findet letztendlich heraus, was ihr Mann ihr und ihrer Tochter Alina dreißig Jahre lang verschwiegen hat.
Die Geschichte wird sehr lebendig und berührend jeweils aus der Perspektive der einzelnen Personen erzählt. Die ausführliche Schilderung der Landschaften macht Lust selbst an die genannten Orte zu reisen. Viel Unbekanntes und Vorurteile sind selbst heute nach 30 Jahren der Grenzöffnung zwischen West und Ost noch vorhanden. Die Autorin hat die genaue Recherche der damaligen Verhältnisse sehr gut in die Handlung des Romans einfließen lassen.
Rezension: Monika Kaless
Die Diplomatenallee.
Annette Wieners
Blanvalet. 2022. 447 Seiten
Heike und ihr Mann Peter führen ein Schreibwarengeschäft in Bonn. Viele PolitikerInnen sind ihre Kunden. Nun soll in der Nähe des Ladens die ständige Vertretung der DDR eröffnet werden und das sorgt 1974 in der Bundeshauptstadt für ziemlich viel Wirbel nicht nur unter den Diplomaten. Auch Heike und ihre gesamte Familie werden in dieses Ereignis hineingezogen. Durch den Besuch ihres ehemaligen Professors für Graphologie ändert sich das Familienleben von Heikes heiler kleinen Welt von jetzt auf gleich. Der alte Lehrer zwingt die junge Frau mit allen Mitteln, die ihm zur Verfügung stehen, für die Stasi graphologische Gutachten zu erstellen. Denn Heike war vor zehn Jahren eine seiner besten Studentinnen in diesem Fach. Leider musste sie aufgrund eines unangenehmen Zwischenfalls ihre Karriere vor zehn Jahren aufgeben. Die Argumente des Professors zwingen sie, bei dieser Tätigkeit mitzumachen. Dadurch gerät die Familie einschließlich ihrer beiden Kinder in die Fänge von Stasi und Bundesnachrichtendienst.
In den sechziger und siebziger Jahren waren graphologische Gutachten sehr aktuell. Man versuchte damit, soviel wie möglich über den Charakter der Person zu erfahren. Es wurden kaum Menschen, gerade in leitenden Positionen eingestellt, ohne dass vorher die Handschriften begutachtet wurden. Spannend und gut recherchiert erzählt die Autorin von diesem Thema der deutschen Geschichte, dass sicher vielen nicht bekannt ist.
Rezension: Monika Kaless
Das Mädchen mit dem Drachen.
Laetitia Colombani
S. Fischer 2022. 268 Seiten
Nachdem sie auf tragische Weise ihren Mann verloren hat, versucht Léna, eine französische Lehrerin, am Golf von Bengalen wieder zu sich selbst zu finden. Dabei wird sie in der Person Lalitas, dem Kind aus „Der Zopf“, mit dem entrechteten Schicksal von Frauen und Mädchen in Indien konfrontiert: Keine Bildung, dafür Kinderarbeit, Vergewaltigungen, Zwangsverheiratung. Mit gutem Willen und westlicher Naivität richtet sie mit der Unterstützung einer jungen Frau, die der (real existierenden) Frauenselbstverteidigungsgruppe „Rote Brigade“ angehört, eine Schule für unterpriviligierte Kinder ein.
Ein berührendes und wichtiges Thema, das allerdings sehr oberflächlich und – auch sprachlich – stereotyp und bemüht erzählt wird. Der neue Roman der französischen Erfolgsautorin wird dennoch seine Leserinnen finden, die ein Buch mit einer typischen Frauenthematik schätzen. Eine leicht lesbare Lektüre für ein Wochenende oder den Urlaubskoffer.
Rezension: Irmgard Kremer-Bieber (Blog: https://buechereien.ekir.de)
Shuggie Bain.
Douglas Stuart
Hanser 2021. 496 Seiten
Shuggie Bain erzählt die Geschichte des jüngsten der drei Kinder, Shuggie, der in den 1980er Jahren mit seiner alkoholkranken Mutter Agnes unter verarmten Bedingungen im postindustriellen Glasgow in der Arbeiterklasse der Thatcher-Ära aufwächst.
Eine ergreifende, gut erzählte Geschichte. Aus der Perspektive eines Außenseiters beschreibt Stuart ein prekäres Milieu – mit Genauigkeit und mit Warmherzigkeit. Eindringlich verweist „Shuggie Bain“ auf ein gar nicht so seltenes Problem unserer Zeit: Was macht es mit Kindern, wenn sie die Rolle die Eltern übernehmen müssen, weil die Eltern selbst dazu nicht in der Lage sind? Ein großartiger Roman!
Rezension: Hans-Jürgen Schmitt (Blog: https://buechereien.ekir.de)
Mongo.
Das junge Paar Katja und Harry erwarten ihr erstes Kind. Doch es gibt eine große Unsicherheit. Katjas älterer Bruder ist mit Trisomie 21 geboren. Nun sind die beiden sehr beunruhigt, dass ihr ungeborenes Kind ebenfalls behindert sein könnte. Sie versuchen aufgrund von entsprechenden Untersuchungen alles, um Gewissheit zu bekommen.
Harry hegt sehr viel Empathie für Markus, seinem Schwager mit Down-Syndrom. Dieser versteht es sehr gut, sein Umfeld entsprechend für seine Bedürfnisse zu nutzen. Harry macht sich Gedanken, wie das Leben von und mit Behinderten ist und erzählt von den teils lustigen und tragischen Ereignissen und kleinen Abenteuern, die er mit Markus erlebt hat. Er kommt zu der Erkenntnis, dass behinderte Menschen eher unsichtbar in der Gesellschaft leben.
Der österreichische Autor hat die Geschichte humorvoll in mundartlicher Sprache geschrieben. Ausführlich, realistisch, facettenreich wird erzählt, wie es ist, mit einem behinderten Bruder aufzuwachsen und welche Bedürfnisse dieser hat und dass die Verantwortung für diesen Menschen letztendlich immer bei der Familie bleibt.
Rezension: Monika Kaless
Marianengraben
Nachts treffen die junge Studentin Paula und Helmut, ein 83 Jahre alter Mann, sich zufällig auf einem Friedhof. Sie beide trauern, Paula um ihren kleinen Bruder, der im Meer ertrunken ist und Helmut um seine geschiedene Frau Helga. Ihr hatte er noch eine gemeinsame Reise in die alte Heimat versprochen. Dieses Versprechen will er nun erfüllen und nimmt Paula mit auf seine Reise in die Alpen. Allerdings erzählt er ihr zunächst nicht, dass er unheilbar an Lungenkrebs erkrankt ist und auf der Reise Tag für Tag abbaut. Paula, die sich die Schuld an dem Tod ihres Bruders gibt, war in den Abgrund und eine tiefe Depression gestürzt. Die Reise und die Gespräche mit Helmut geben ihr wieder Lebensmut und helfen ihr, die Trauer zu überwinden.
Paulas Bruder war fasziniert vom Marianengraben, der mit 11 km die tiefste Stelle der Weltmeere ist. Aus der Tiefe dieses Meeres taucht Paula mit zunehmender Trauerarbeit auf bis sie wieder an der Oberfläche und im Leben angekommen ist. Dieses Auftauchen bringt die Autorin in den Kapitelüberschriften zum Ausdruck. Auf wundersame Weise verbindet sie darüber hinaus Trauerarbeit mit skurrilen und auch humorvollen Szenen, die ein Schmunzeln auf die Lippen zaubern.
Rezension: Buechereien.ekir.de – Martha Hase
Der Holländer.
Geeske Dobbenga freut sich auf den bevorstehenden Ruhestand. Doch auf ihrer letzten Fahrt als Opperwachtmeester findet sie auf einer Sandbank im niederländischen Teil der Außenems einen Toten. Zunächst scheint es so, dass er ein Opfer der aufkommenden Flut geworden ist, doch bei genauerem Hinsehen zeigen sich einige Ungereimtheiten, denen Liewe, genannt der Holländer, versucht auf die Spur zu kommen und das Geschehen zu rekonstruieren.
Dieser nicht gewöhnliche Krimi fängt stimmungsvoll die Atmosphäre der deutsch-niederländischen Küstenregion ein. In der bilderreichen Beschreibung werden Schönheit und Rauheit der Nordsee und des Wattenmeeres lebendig. Gern empfohlen.
Rezension: Buechereien.ekir.de – Helga Schwarze
Rheingau.
1962 in Freiburg: Henny Köpfer ist Weinhändlerin. Das gutgehende Geschäft hat sie von ihrem Vater übernommen, der 1944 beim großen Bombenangriff auf die Stadt ums Leben gekommen ist. Überhaupt hat dieser Krieg Hennys Leben und das ihrer Familie und ihren Freunden total verändert. Viele ihrer Träume und Hoffnungen haben sich nicht erfüllt und sie muss heftige Schicksalsschläge ertragen.
Es ist auch die Zeit des Wirtschaftswunders in Deutschland. Bundeskanzler Adenauer und der französische Präsident De Gaulle sind dabei den deutsch-französischen Freundschaftsvertrag auszuhandeln. Eine Flasche Champagner Jahrgang 1937, einer Kriegsbeute, lösen bei Henny, ihren Freunden und Feinden eine wilde Jagd aus. Das führt dazu, das so nach und nach die Geschehnisse aller beteiligten Protagonisten während des 2. Weltkriegs bekannt werden, alte Wunden aufgerissen werden und schlimme Erinnerungen wieder hochkommen.
Die Autorin schreibt die Geschichte lebendig und spannend. Es geht um die ersten Jahre nach dem 2. Weltkrieg und Geschehnissen zwischen Elsässern und den Deutschen im Rheingau vor und während des Krieges. Am Ende des Buches erklärt ein Stammbaum die Beziehungen der einzelnen Personen zueinander. Frau Glaser ist in der Gegend aufgewachsen und kennt die Verhältnisse dort von Kind an.
Rezension: Monika Kaless
Die Frau am Strand.
Überraschend erhält Liz Besuch von ihrer Nichte. Die junge Frau fragt ihre Tante nach der Familiengeschichte. Das inspiriert Liz dazu, diese aufzuschreiben. Eine große Sammlung an Erinnerungsstücken aus der ganzen Welt helfen ihrem Gedächtnis aus dem Leben der einzelnen Generationen zu erzählen. Liz beginnt mit ihren Urgroßeltern, die Ende des neunzehnten Jahrhunderts von Sylt aus nach Amerika auswandern. Liz Großmutter Annie kommt als kleines Mädchen nach dem frühen Tod der Eltern von dort wieder nach Fehmarn zurück. Sie wäre gerne Malerin geworden. Doch ihr Traum wird nicht erfüllt. Annie geht auf eine Haushaltsschule und lernt ihren Mann, einen Kapitän kennen. Mit ihm reist sie nach Gibraltar und Portugal, strandet in Spanien und muss wegen des 1. Weltkrieges einige Jahre dann leben. Danach lassen sich Annie und ihr Mann in Norddeutschland nieder und erleben dort mit einer Tochter und zwei Söhnen den Nationalsozialismus und den 2. Weltkrieg. Einer der Söhne ist Liz Vater. Die Großmutter mütterlicherseits ist aus Riga geflüchtet und hat ebenfalls einen bewegten Lebenslauf.
Die Autorin schildert lebendig und anschaulich diese Familiengeschichte über drei Generationen. Der Roman enthält viele Informationen über das Leben der Leute zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts, die Auswanderung nach Amerika, den beiden Weltkriegen, Flucht und Vertreibung sowie der Seefahrt.
Rezension: Monika Kaless
Eine ganze Welt
Suri Eckstein ist 57, sie ist schwanger mit Zwillingen. Als wäre das nicht schon Herausforderung genug, Suri lebt in einer chassidischen Gemeinschaft in Williamsburg, einem Stadtteil von New York. Etwa 80.000 ultraorthodoxe Juden, Satmarer Chassiden, die ursprünglich aus Ungarn und Rumänien stammen, wohnen dort. Ihre Sprache ist Jiddisch mit englischen Einsprengseln.
Das Leben der Chassidim gestaltet sich nach strengen Vorgaben. In dieser Parallelwelt gibt es von Klein auf eine Geschlechtertrennung; Jungen und Mädchen gehen in verschiedene Schulen, Männer und Frauen nutzen separate Ein- und Ausgänge der Synagoge, Hochzeitsfeiern finden getrennt statt. Die Männer tragen lange schwarze Mäntel und Schläfenlocken, die Frauen Kleidung, die den Sittsamkeitsvorschriften entspricht: Knie und Ellbogen müssen bedeckt sein. Ihre Schuhsohlen werden gerne mit Filzscheiben versehen, um keine Klack-Geräusche wie von Stöckelschuhen zu verursachen. Verheiratete Frauen rasieren nach der Hochzeit ihre Haare und tragen fortan Perücke oder Kopftuch. Kinderreichtum ist erwünscht. Die Gemeinschaft hat eigene Handwerker, Sanitäter und sogar Polizei. Bricht ein Gemeindemitglied die geltenden, strengen Regeln, wird es verbannt, jeglicher Kontakt abgebrochen, sein Name darf innerhalb der Familie nicht mehr genannt werden.
„Eine ganze Welt“ gibt einen tiefen Einblick in die Welt dieser Glaubensgemeinschaft. Anfangs ist es wegen der vielen jiddischen Worte ein wenig mühsam, in die Geschichte einzutauchen, aber es lohnt sich.
Rezension: Birgit Drosten-Vater
Der schräge Vogel fängt mehr als den Wurm.
Die Autorin ist seit vielen Jahren Radiomoderatorin und hat über 1000 Interviews für diverse Sendungen geführt. In diesem Buch erzählt sie von einigen Begegnungen und Gesprächen mit ihren Interviewpartner*Innen. Es sind alles Menschen, die ihr Leben rigoros verändert haben. Da gibt es einen U-Boot-Kommandanten, der sich nach seiner Dienstzeit entschließt eine Schamanenausbildung zu machen. Eine Bembel-Töpferin verlässt die hessische Heimat und wird Fremdenführerin in der Wüste Sinai. Ein Bestatter findet neue Wege für Trauerbegleitung. Beim Nobelpreisträger Günther Grass wäre die Autorin fast verdurstet und Hape Kerkeling berichtet von einem schiefen Schränkchen.
Die Beiträge sind humorvoll, leicht und locker geschrieben. Die Autorin hat eine gute Auswahl an Geschichten getroffen, die beim Lesen zum Lachen doch auch zum Weinen anregen können. Die einzelnen Episoden eignen sich sehr gut zum Vorlesen für Erwachsene.
Rezension: Monika Kaless
Couscous mit Zimt.
Lucile ist über 100 Jahre alt geworden und war die Patriarchin in der Familie. Sie muss nach der Unabhängigkeit Tunesiens gezwungenermaßen mit ihren beiden Mädchen nach Frankreich ziehen und landet in Paris. Das Verhältnis zur älteren Tochter Marie ist zeitlebens sehr angespannt gewesen. Denn beide Frauen waren sehr starke Persönlichkeiten. Nach Lucilles und Maries Tod erbt Lisa, die Enkelin, die Eigentumswohnung. Lisa, die in Berlin lebt, ist nun in Paris um die Wohnung aufzulösen und zu verkaufen. Beim Aufräumen erinnert sich die junge Frau an ihre Mutter und die Großmutter.
Aus der jeweiligen Perspektive von Großmutter, Tochter und Enkelin wird lebhaft und anschaulich geschildert, wie das bewegte Leben der drei Generationen verlaufen ist, wie groß der Verlust der tunesischen Heimat das Schicksal der Frauen geprägt hat, wie Marie ihre erste Liebe findet, wie sie nach einer von Lucille angeordneten Abtreibung nach Berlin flieht. Auch die gesellschaftliche Situation in der Vergangenheit und der Gegenwart in Frankreich wird eindrücklich beschrieben.
Rezension: Monika Kaless
Elsas Glück.
Elsa Sonnstein ist zwanzig. Sie lebt 1928 in Wien in einem reichen christlich-jüdischen Elternhaus und studiert Pädagogik und Psychologie, um vielleicht Lehrerin zu werden. Bei zusätzlichen Kursen im Pädagogischen Institut lernt sie Kommilitonen kennen, die nicht alle so privilegiert sind wie Elsa. Durch die neuen Freunde lernt sie das Leben der einfachen Leute in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen kennen. Die rote Stadtregierung tut viel für die Bevölkerung aber die Armut ist sehr groß. Vor allem Kinder, die von der Fürsorge in Heimen untergebracht sind, haben es Elsa angetan. Sie versucht mit Skikursen den kleinen Heimbewohnern Freude und Selbstbewusstsein zu vermitteln. Doch auch in Elsas wohlhabender Familie gibt es Krisen zu bewältigen und ein gut gehütetes Familiengeheimnis kommt an den Tag.
Der gut recherchierte, historische Roman schildert ein eindrückliches Bild der damaligen Zeit mit all ihren Facetten. Es geht aber auch um Konflikte, wie sie in jeder Familie vorkommen können und eine Liebesgeschichte fehlt auch nicht.
Rezension: Monika Kaless
Der Sommer, in dem Einstein verschwand.
Insel Verlag 2020. 371 Seiten
Am Anfang des 21. Jahrhunderts lebt Otto in einem Altersheim. Seine Gedanken gehen zurück in seine Kindheit ins Jahr 1923 nach Göteborg. Als Eselsjunge darf er mit dem Esel Bella an der „Messe der Welt“ zum 300. Geburtstag der Stadt teilnehmen. Dort begegnet er Albert Einstein. Otto hat großen Anteil daran, dass der Wissenschaftler dort nicht von einem deutschen Hochstapler ermordet wird. Das verhindern zusätzlich auch die beiden anderen Protagonisten Nils, ein Polizist und die junge Journalistin Ellen. Es ist eine sehr aufregende Zeit damals. Vieles verändert sich rasant in den 1920er Jahren.
Aus der Sicht der jeweiligen Figuren wird nicht nur anschaulich und spannend der Mordversuch an Einstein geschildert, erzählt wird auch viel über den damaligen Zeitgeist wie die „Neue Frau“, den damaligen wirtschaftlichen Bedingungen und Wohn-verhältnissen, die neuesten technischen Errungenschaften, den beginnenden Antisemitismus in Europa und vieles mehr.
Rezension: Monika Kaless
Iva atmet.
Frankfurter Verlagsanstalt 2021. 302 Seiten
Iva lebt mit ihrem Mann und dem kleinen Sohn im Rheinland. Ihr Vater liegt nach einem Schlaganfall im Koma in einem Krankenhaus in Dresden. Das bewegt die junge Frau dorthin zu fahren, obwohl der Kontakt mit ihrem Vater schon lange abgebrochen ist. Im düsteren Haus ihrer Eltern muss sich Iva zwangsläufig mit dem Vorleben ihrer Familie auseinandersetzen. Sie findet Fotos der verstorbenen Großmutter, die in Deutsch-Südwestafrika, dem heutigen Namibia, während der deutschen Kolonialzeit ihre Kindheit dort verbrachte und in der Familie nie darüber gesprochen hat, warum sie aus dem Land fliehen musste. Ivas Mutter hat sich früh von ihrem Mann zurückgezogen. Sie konnte mit ihm nicht mehr unter einem Dach zusammenleben und hat die drei Kinder in dem unwirtlichen Haus zurückgelassen.
Die Autorin erzählt diesen Roman in ständigem Wechsel zwischen dem Leben der Protagonisten heute und was sich in der jeweiligen Kindheit ereignet hat. So erfährt man immer mehr von der Familie und ihrer Vorgeschichte. Empfohlen für interessierte Lesenden, die ein Faible für Familiengeschichten mit einer bewegten Vergangenheit haben.
Rezension: Monika Kaless
Niemand hat Angst vor Leuten, die lächeln.
Frankfurter Verlagsanstalt 2021. 221 Seiten
Gloria lebt mit ihren beiden Töchtern Stella und Loulou in einem Ort an der Küste in Südfrankreich. Von jetzt auf gleich packt sie die nötigsten Sachen für ihre kleine Familie zusammen, holt die Mädchen vorzeitig von der Schule ab und flüchtet mit ihnen ins Elsass in den Norden von Frankreich. Abgeschieden in einem Wald an einem See kommen die Drei im Haus der verstorbenen Großmutter unter. Dort erhofft sich zumindest Gloria ein sicheres, ungestörtes Leben.
Spannend wird im Rückblick erzählt, warum Gloria, eine durchaus emanzipierte Frau und ihre Kinder das angenehme Leben am Meer hinter sich lassen müssen und in die Einsamkeit umziehen. Immer mehr deutet sich eine unglaubliche Geschichte an, die ein böses Ende nimmt und erst auf den letzten Seiten wird aufgeklärt, wer und was wirklich dahintersteckt.
Rezension: Monika Kaless
Die langen Abende.
Luchterhand 2020. 348 Seiten
Dieses Buch bringt ein Wiedersehen mit Olive Kitteridge aus Strouts Roman „Mit Blick aufs Meer“. Olive trauert um ihren verstorbenen Mann Henry, findet eine neue Liebe, vermisst ihren Sohn und steht sich oftmals selbst im Weg. In Crosby, einem Küstenstädtchen in Maine ist nicht viel los. Und doch enthalten die Geschichten über das Leben der Bewohner dieses Ortes die Fülle menschlicher Erfahrungen.
Elizabeth Strout fügt diese Geschichten mit feinem Humor und liebevoller Menschenkenntnis zu einem berührenden Roman zusammen. Zur Anschaffung empfohlen.
Rezension: Buechereien.ekir.de – Anja-Maria Gummersbach
Crossroad.
Rowohlt . 832 Seiten
In den wilden 1970er Jahren, die geprägt sind vom Protest gegen den Vietnamkrieg und einer Aufbruchsstimmung in der Gesellschaft führt Pfarrer Russ Hildebrandt mit Frau Marion und den vier Kindern Clem, Beccy, Perry und Justin ein scheinbar solides, bürgerliches Leben in einem Vorort von Chicago. Dann wird ein neuer Jugendpfarrer von der Gemeinde eingestellt und seine neue Jugendgruppe „Crossroads“ zieht die Jugendlichen in Scharen an. Alte Werte werden plötzlich in Frage gestellt, neue Wege ausprobiert und nicht nur Pfarrer Russ Hildebrandt steht auf einmal an einem Scheideweg…
Franzen gelingt es, in seinem auf eine Trilogie angelegten Roman die gesellschaftliche Probleme Amerikas in den frühen 1970er Jahren im Mikrokosmos einer scheinbar ganz normalen Familie wie durch ein Brennglas zu betrachten. Alle Familienmitglieder kämpfen mit ihren ganz persönlichen Problemen und gegen das Scheitern ihrer Lebensträume.
Rezension: Buechereien.ekir.de – Christine Heymer
Der Tausch
Claire ist die Ehefrau von Rory, dem Spross einer angesehenen amerikanischen Familie. In der Öffentlichkeit ist nicht bekannt, dass der Ehemann ihr gegenüber gewalttätig ist, ihr keinerlei Freiheiten zugesteht und er sich nie von ihr trennen würde. Claire plant bis ins kleinste Detail ihren Mann zu verlassen. Doch dieser Plan zerfällt ins Nichts, weil Rory am Fluchttag einen lange vereinbarten Termin für die Familienstiftung ändert. Claire erfährt erst am Abflugtag, dass sie statt nach Detroit, wie seit Wochen vereinbart und wo sie alles für ihren Neuanfang vorbereitet hat, nach in Puerto Rico fliegen soll. Am Flughafen trifft die verzweifelte Claire auf Eva, die ihr eine unglaubliche Geschichte erzählt und sie darum bittet, ihre Bordkarten zu tauschen. Claire lässt sich darauf ein und als sie in Oakland landet, beginnt für sie ein Alptraum.
Aus der jeweiligen Sicht, beginnend mit Claire am Tag der Landung in Kalifornien und rückblickend von Eva sechs Monate vorher, erzählt die Autorin sehr spannend das Leben der beiden durchaus starken Frauen und was sie dazu bewogen hat, diesen Schritt zu tun, in das Leben einer anderen zu schlüpfen und alles hinter sich zu lassen.
Rezension: Monika Kaless
Monschau
Steffen Kopetzky
Rowohlt Berlin
350 Seiten, 2021
Steffen Kopetzky zeigt sich nach „Risiko“ und „Propaganda“ ein weiteres Mal als Meister in der Entwicklung einer spannenden Geschichte vor zeitgeschichtlich brilliant ausgeleuchtetem Hintergrund. Es geht in das schmucke Eifelstädtchen Monschau, in dem 1962 tatsächlich ein Fall von Pocken auftritt. Schon der Beginn mit der Odyssee eines Rettungswagens, der ein schwer krankes indes in ein Spital bringen möchte und im Aachener Krankenhaus abgewiesen wird, sodass sich der Fahrer erneut durch die schneereiche Nacht nach Monschau kämpfen muss, nimmt die Leserin gefangen. In einer überaus gelungenen Mischung aus Zeitgeschichte, Wirtschaftsreportage und Liebesroman erzählt der Autor davon, wie Menschen, eine Kommune, ein mittelständisches Unternehmen, die politisch Verantwortlichen und die kundigen Mediziner und Wissenschaftler mit dem Ausbruch einer Epidemie umgehen. Parallelen zur gegenwärtigen Situation beabsichtigt und gelungen. Der verantwortliche Dermatologe, vom Innenministerium in Düsseldorf in die Eifel entsandt, und sein junger griechischer Assistent setzen das in Gang, was wir gerade gut kennen: Quarantäne, Schulschließung, Isolation im Krankenhaus und eine mit allen örtlichen Kräften koordinierte Impfung der örtlichen Bevölkerung. Parallel dazu wird die Geschichte eines Stahlbetriebes, größter Arbeitgeber in der Region, erzählt, dessen junge Erbin lieber Journalistin als Firmenchefin werden möchte und sich mit ihrer Recherchelust in unmittelbare Gefahr begibt.
Basierend auf einer wahren Geschichte, jeder sollte es lesen!
Rezension: Evangelisches Literaturportal – Gabriele Kassenbrock
Die Bücherfrauen.
Romalyn Tilghman
Fischer. 2021. 376 Seiten
Roman
Die fast 40-jährige Angelina ist von Philadelphia nach New Hope, einem Ort am „Ende der Welt“ in Kansas gezogen, wo sie als Kind die Liebe zur Bibliothek entdeckt hat. Es ist ihre letzte Chance ihre Promotion über die alten Carnegie-Bibliotheken zu schreiben, die ihre Großmutter Amanda Anfang des 20. Jahrhunderts dort mit gründet hat. Traci ist eine nicht gerade erfolgreiche Künstlerin aus New York, die ihre Kunst aus Müll herstellt. Sie hat sich auf die Stelle im Kulturzentrum von New Hope beworben. Denn die verzweifelte junge Frau benötigt dringend ein Dach über dem Kopf und ein geregeltes Einkommen. Gayle kommt aus dem Nachbarort Prairie Hill. Dort hat ein Tornado alles zerstört und sie steht vor dem Nichts.
Im Kulturzentrum von New Hope treffen die drei Frauen aufeinander. Die Liebe zum Lesen zu Büchern und zur Kunst verbindet Angelina, Traci und Gayle mit den Frauen und Jugendlichen des Ortes. Mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln setzten sie sich für die Erhaltung des Kulturzentrums und einem Neubau der Bibliothek in Prairie Hill ein. Letztendlich finden die drei Protagonistinnen in New Hope ihr ganz persönliches Glück.
Die Autorin erzählt die Geschichte der drei Hauptpersonen aus deren jeweiliger Sicht sehr warmherzig. Sie schildert sehr anschaulich mit welchem großen Engagement sie sich zusammen mit den Frauen und Jugendlichen aus dem Ort von Heute und auch Anfang des 20. Jahrhunderts für den Aufbau von Bibliotheken und Kulturzentren eingesetzt haben.
Rezension: Monika Kaless
Wer sind wir
Lena ist elf Jahre alt, als sie mit ihren Eltern, ihrer Großmutter und ihrem Bruder 1992 in Ludwigsburg ankommt. Die Familie mit jüdischen Wurzeln stammt aus Petersburg und hat Deutschland als neue Heimat gewählt, weil sie hier auf ein freies Leben hofft. Lange leben die fünf Personen in einem einzigen Zimmer im Asylantenheim und bekommen hautnah zu spüren, dass sie in Deutschland Fremde sind. Die Eltern sind beide studierte Ingenieure. Doch die Ausbildung wird von den deutschen Behörden nicht anerkannt. Der Vater arbeitet immer in Aushilfsjobs und muss lange Fahrwege in Kauf nehmen. Die Mutter versucht als umgeschulte Buchhalterin zum Lebensunterhalt beizutragen. Auch der Verlust der Heimat ist schwer zu überwinden. Die Großmutter leitete früher ein Unternehmen und ist im neuen Zuhause nur noch eine alte Frau. Ständig schwelgen die Erwachsenen in Erinnerungen, was sie in Russland zurückgelassen haben. Im Laufe der Jahre gelingt es Lena mit der Gründung einer eigenen Familie endlich richtig im Westen anzukommen. Die Autorin erzählt die diesen biografischen Roman aus ihren Erinnerungen heraus. Immer wieder benutzt sie russische Worte, die nicht eins zu eins ins Deutsche übersetzt werden können, um ihre jeweiligen Gefühle beim Schreiben besser ausdrücken zu können.
Rezension: Monika Kaless
Der unsichtbare Garten.
Karine Lambert
Diana Verlag 2020. 286 Seiten
Vincent ist 35, ein sportlicher Typ, der nach langjähriger Profikarriere im Tennis als begehrter Tennislehrer ein gutes Auskommen hat. Er will mit seiner attraktiven Freundin zusammenziehen und denkt daran, sie zu heiraten und in absehbarer Zeit auch Kinder mit ihr haben. Doch seine Pläne werden jäh zerstört, als Vincent erfährt, dass er eine unheilbare Augenkrankheit hat, die in kurzer Zeit zur Erblindung führt. Damit ändert sich sein Leben radikal. Der junge Mann zieht in das alte Haus seines Großvaters aufs Land, wo er sich bemüht, solange er noch etwas sehen kann, dort aus dem großen verwilderten Garten wieder etwas Brauchbares zu machen. Er beginnt die Erde zu bearbeiten und Gemüse und Blumen zu pflanzen. Dadurch lernt seine Umwelt anders wahrzunehmen und schöpft wieder neue Hoffnung auf ein mehr oder weniger selbst bestimmtes Leben.
Eindrucksvoll schildert die Autorin, wie sich Vincents Welt von einem auf den anderen Tag total verändert und wie er es letztendlich schafft, mit seinem Schicksalsschlag fertig zu werden.
Rezension: Monika Kaless
Die Geschichte von Kat und Easy.
Susann Pásztor
Kiepenheuer & Witsch. 268 Seiten, 2021
Die Geschichte beginnt in der Silvesternacht 1972 in Laustedt, einem kleinen Ort irgendwo in Nord-deutschland. Die beiden fünfzehnjährigen Mädels Kat und Easy haben sich für das neue Jahr 1973 viel vorgenommen. Für sie gibt eine Liste mit Wünschen, die sie sich erfüllen wollen. Dazu gehört, einen Joint zu rauchen, die erste Liebe zu finden, das erste Mal Sex zu haben und einiges mehr. Mit der Liebe geht es ganz schnell. Ausgerechnet verlieben sich beide gleichzeitig in Fripp aus dem Jugendzentrum. Der junge Mann nimmt Easy, die schönere der beiden, als Freundin und Kat leidet sehr darunter. Die Freundschaft der beiden Mädchen endet noch im gleichen Jahr abrupt durch einen tragischen Unfall.
Fast fünfzig Jahre danach findet Easy einen Blog, in dem Kat über Lebensfragen schreibt. Die beiden treffen sich auf Kreta, wo Easy in einem einsamen Bergdorf ein Haus besitzt. Dort beginnen die beiden, sich ihr Leben zu erzählen und in Erfahrung zu bringen, was damals wirklich passiert ist und was sie auseinandergebracht hat.
Mit sehr viel Humor und warmherzigen Worten versteht es die Autorin die Geschichte zu erzählen. Es geht darum, dass Freundschaft auch Grenzen hat, man loslassen und verzeihen muss. Die einzelnen Kapitel wechseln zwischen damals und heute. So erfährt man nach und nach wie das Leben der beiden Protagonistinnen bisher verlaufen ist und dass keine der beiden Schuld an den damaligen Ereignissen hat.
Rezension: Monika Kaless
Stay away from Gretchen – Eine unmögliche Liebe.
Susanne Abel
Dtv. 2021. 528 Seiten
Tom Monderath erfährt erst, als seine Mutter an Alzheimer erkrankt ist, dass er eine dunkelhäutige Schwester und sein, vor einigen Wochen beigesetzter Vater, außer ihm noch einen weiteren Sohn hat.
Als er seine Schwester und den dazugehörenden Vater in den USA aufspürt, und sie nach Europa bringt, kommt das für seine Mutter zu spät. Sie ist zu sehr dem Alzheimer verfallen. Doch sie spürt zumindest „nur“ eine seltsame Beziehung zu den Beiden. Plötzlich kann sie über all die schrecklichen Sachen, die sie in ihrem Leben erdulden musste, reden. Es ist, als hätte Alzheimer ein Tor zu ihrem Innersten geöffnet.
Aber auch Tom Monderath, der ein berühmter Nachrichtenmoderator ist, findet sein Glück. Er hatte nicht mehr damit gerechnet; schließlich wid er bald fünfzig!
Ein gutes Buch, dass die Geschehnisse rund um den 2. Weltkrieg und danach widerspiegelt. Und auch, dass dunkelhäutige Menschen heute wie damals eine verschwindet kleine Lobby haben und allerlei Kränkungen hinnehmen müssen, vor allem in den USA.
Rezension: Rosemarie Schmidtke
Wir sehen uns unter den Linden.
Charlotte Roth
Droemer-Knaur München. 2019. 155 S.
Es ist bereits das 5. Buch der Reihe. Hier geht es um die Entstehung der DDR und den Menschen, die darin wohnen und daran glauben, warum die DDR damals gegründet wurde. Warum die Menschen weglaufen, schreiben sie dem Westen, den USA und dem Sender RIAS-Berlin zu.
Erst als Susanne (genannt Sanne) den Westler Kelim, einen Koch, kennenlernt, weiß sie nicht mehr, was sie glauben soll. Sie ist doch eine überzeugte DDR-lerin. Mit dem Mauerbau endet diese Reihe.
Rezensentin: Rosemarie Schmidtke
Die Dirigentin.
Roman. Maria Peters
Atlantik Verlag, 2020. – 331 Seiten
Ein Roman über die Geschichte der Antonia Brico, der es Ende 1936 gelingt, als erste Frau ein Orchester mit nur Frauen in der USA zu dirigieren.
Maria Peters, eine niederländische Autorin, hat diesen Roman und einen Film anhand des Lebens einer von der Musik besessenen Frau entworfen und überzeugend gestaltet. Sie beschreibt die Sehnsüchte und Hoffnungen eines ursprünglich aus Holland stammenden Mädchens, das sich der Musik verschrieben hat und bei den Adoptiveltern in New York unter ärmlichen Verhältnissen aufwächst. Die einzelnen Kapitel des Buches werden jeweils in Ich-Erzählungen der Hauptpersonen ausgeführt; so gelingt es gut, eine Abfolge des Geschehens darzustellen. Antonia schafft es mit viel Engagement und Energie ihrem Ziel des Dirigierens näher zu kommen. Dabei spielt sich ihr Leben auch in Europa, besonders in Deutschland der 20er Jahre ab. Antonia lebt ihre Sehnsucht intensiv, sicher auch mit den Freundschaften, die sich in ihrem Leben ergeben. Ein Gefühl, das sich durchaus auf die Leser*innen überträgt.
Ein schöner Roman voller Gefühle, der nicht nur Freundinnen und Freunden der klassischen Musik etwas geben kann.
Eliport – Rezensent: Kurt Triebel
Pfoten vom Tisch! Meine Katzen, andere Katzen und ich.
Hape Kerkeling.
ISBN: 978-3-492-08000-2
22,00 Euro
Seit seiner Jugend ist der Entertainer katzenverrückt. Peterle, Samson, Anne und die anderen Stubentiger begleiten ihn durch sein Leben.
Es ist ein autobiografisches Buch, in dem er unter anderem erzählt, wie er zu seinen Katzen gekommen ist und man erfährt sehr viel Privates aus seinem Leben. Er erzählt lebendig von den Eigenheiten der Stubentiger und lustigen Anekdoten, die er mit ihnen erlebt hat. Es ist auch ein Sachbuch über Katzen allgemein, welche Rassen es gibt und was diese Art jeweils ausmacht.
Das Buch ist mitreißend, unterhaltsam und es gibt viele Informationen zu Katzen. Ein absolutes Muss für Katzenliebhaber!
Rezension: Monika Kaless
Unter Wasser Nacht. Kristina Hauff
Hanserblau. 2021. 285 Seiten
Im Wendland, in den Elbauen, haben sich zwei befreundete Paare gemeinsam auf einem Hof niedergelassen. Die beiden Frauen Inga und Sophie sind schon lange eng befreundet. Inga hat zusammen mit ihrem Mann Bodo einen Sohn und eine Tochter. Mit ihren Kindern scheinen sie die perfekte Familie zu sein. Doch die bürgerliche Umgebung trügt. Der Sohn von Sophie und ihrem Mann Thies ist vor einem Jahr im Fluss ertrunken. Die Todesursache konnte bisher noch nicht richtig geklärt werden. Die beiden ertragen den Tod ihres Sohnes Aaron nur schwer. Es schleicht sich gegenseitiges Misstrauen in ihre Beziehung und sie leben nur noch nebeneinander her. Die Freundschaft zu Inga und Bodo leidet durch das Unglück sehr. Denn Sophie kann es kaum ertragen, dass Familienidyll im Nachbarhaus mit anzusehen. Nach und nach stellt sich heraus, dass Aaron ein schwieriges, schwer erziehbares Kind war. Vielleicht hat er sogar seinen Tod selbst verschuldet. Als eine Fremde in den Ort kommt, eskaliert das Zusammenleben der beiden Familien. Denn diese Frau lässt Geheimnisse zum Vorschein kommen, die alle Protagonisten lieber für sich behalten hätten.
Die Autorin schreibt aus der Multiperspektive heraus lebendig und spannend. So erfahren die LeserInnen immer mehr, wie die einzelnen Protagonisten sich mit den jeweiligen Begebenheiten auseinandersetzen und entsprechend für sich ihre Entscheidungen treffen.
Rezension. Monika Kaless
Mieses Spiel um schwarze Muscheln. Bernd Stelter
Lübbe. 2021. 412 Seiten
Camping-Krimi
Der dritte Camping-Krimi führt in die Welt der Muschelfischer der Provinz Zeeland. Eine Leiche wird am Pier aus der Nordsee gefischt und gibt nicht nur Kommissar Houvenkamp Rätsel auf. Die Camper aus Deutschland, die ihren Osterurlaub wieder auf dem Campingplatz „De Grevelinge“ verbringen, sind mit von der Partie. Und ebenso die bunte Figur eines Foodbloggers, der mit dem Opfer zuvor ein Interview geführt hatte.
So arbeitet sich der Autor auf mehreren Ebenen an die Lösung des Falls heran. Dabei bringt er etliche geografische und historische Besonderheiten ein. Er hat sich intensiv mit der Muschelzucht, deren Vermarktung und Zubereitung beschäftigt. Es ist ein Spaß, den Wendungen der Geschichte und den Speisezetteln der Restaurants zu folgenden. Die niederländischen Ausdrücke und Namen sind etwas gewöhnungsbedürftig, machen aber den Roman authentisch. Auch die Spannung kommt nicht zu kurz; dabei werden die Akteure mit den jeweiligen Möglichkeiten konfrontiert.
Ein unterhaltsamer anregender Krimi mit gut lesbaren Stil nach Art der Regionalkrimis.
Rezension: Eliport / Renate Schalück
Der Schatten von Tulum. J. R. Bechtle
Frankfurter Verlagsanstalt. 2021. 377 Seiten
Jake Friedman arbeitet als erfolgreicher Investmentbanker in New York. Er betreut für seine Bank den mexikanischen Markt und steht kurz vor dem Abschluss eines großen Deals. Sehr kurzfristig wird Jake aufgefordert, nach Mexiko City zu reisen, um sich dort mit seinem einflussreichsten Kunden zu treffen. Nach einer harten Auseinandersetzung mit seinem mexikanischen Partner wird der Banker aus dem gut bewachten Bürogebäude entführt. Seine Familie und auch die Polizei erhalten überhaupt kein Lebenszeichen von ihm.
Nach und nach stellt sich heraus, dass die Entführung mit der Vergangenheit von Jake zu tun hat. Als junger Mann ist er vor dreißig Jahren durch Mexiko getrampt. Im legendenhaften Tulum an der karibischen Küste hat es damals eine mystische Begegnung gegeben, die im engen Zusammenhang mit seinem Kidnapping zu stehen scheint.
Packend erzählt der Autor immer abwechselnd von den Erlebnissen des Protagonisten während seiner Reise als junger Mann durch Mexiko und wie sich sein Leben heute gestaltet. Im Text enthalten sind viele Informationen über mystische Geschichten der Mayas und wie sich die politische Situation in Mexiko so entwickeln konnte.
Rezension: Monika Kaless
Belmonte – Eine deutsch-italienische Familiensaga. Antonia Riepp
Piper. 2020. 491 Seiten
Eine deutsch-italienische Familiensaga über vier Generationen.
Die junge Landschaftsgärtnerin Simona steckt in einer Lebenskrise. An dem Tag, als sie ihren Job in der Gärtnerei verliert, stirbt auch ihre geliebte Großmutter Franca. Überraschend erbt sie ein Haus in den italienischen Marken, von dem sie bisher nichts wusste. Doch Simona ergreift die Chance zur Flucht dahin. In Belmonte trifft sie auf einen bis dahin für sie unbekannten Familienclan und die Geschichte ihrer Urgroßmutter Theresa, deren Tochter Franca und schließlich die Geschichte ihrer eigenen Mutter Martina. Stück für Stück erschließen sich für Simona dunkle Familiengeheimnisse, die von Generation zu Generation ihre Auswirkungen weitergeben. Sie findet unvermutet einen Freund und schließlich auch Hinweise auf ihren bis dato unbekannten Vater.
Eine Geschichte die spannend erzählt, wie das Leben und das Schicksal spielt. Es macht Lust in der eigenen Geschichte zu forschen und gleichzeitig Furcht, was alles ans Licht kommen kann. Mitreißend und unterhaltsam.
Rezension: Eliport / Sandra Groß
Dein ist das Reich. Katharina Döbler
Claassen. 2021. 479 Seiten
Es ist die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen. Linette Marchand, eine sportliche, junge Frau aus Neudettelsau in Bayern kann den Verlust ihres Freundes, der gefallen ist, nicht überwinden. Sie wandert in die USA aus und will sich dort eine Existenz aufbauen.Doch auf einem Heimaturlaub verliebt sie sich in Johann Hensolt. Er war bereits als evangelischer Missionar in Neuguinea. Dies war damals noch eine deutsche Kolonie. Die beiden heiraten und reisen im Auftrag der evangelischen Mission nach Neuguinea um dort die Papua vom Christentum zu überzeugen. Auch Marie Reinhardt hat eigentlich andere Pläne für ihr Leben. Doch sie wird eigentlich gegen ihren Willen mit Heiner Mohr verheiratet, der davon träumt, Deutschland in Richtung Südsee zu verlassen. Beide Paare richten sich im damaligen Kaiser-Wilhelm-Land ein. Sie erleben abenteuerliche Zeiten in einem unwirtlichen Land mit allen Höhen und Tiefen, das mit dem Beginn des 2. Weltkrieg abrupt endet.
Die Icherzählerin ist die Enkelin der beiden Paare. In ihrer Kindheit hat sie vor allem von der Großmutter Linette viel aus dem Leben in der Südsee-Mission erfahren. Das Buch besteht aus vier Teilen und umfasst die Jahre von 1913 bis 1946. Zum Verständnis für Ort und Personen gibt es eine Landkarte und eine Ahnentafel. Ein besonderes Stilmittel dieser ungewöhnlichen und berührenden Familiengeschichte ist die Beschreibung von Schwarzweis-Aufnahmen. Anhand dieser Fotos wird dann die Geschichte der Protagonisten erzählt.
Rezension: Monika Kaless
Heldinnen werden wir dennoch sein. Christiane Wünsche, Fischer-Krüger. 2021. 446 Seiten
Freundinnen sind Susanne, Helma, Ellie, Ute und Marie schon seit ihrer Schulzeit in den 1980er Jahren. Vier von ihnen treffen sich heute noch wenigstens einmal im Jahr zu Susannes Geburtstag. Marie kann nicht mehr dabei sein. Sie ist bei einem Autounfall tödlich verunglückt.
An Susis Vierundfünfzigstem platzt Ellie damit heraus, dass Frankie, der früher ebenfalls zu der Mädchen-Clique gehörte, gestorben ist. Der Freund ist freiwillig aus dem Leben geschieden. Dieses schwerwiegende Ereignis bringt die Freundinnen dazu, auf ihr eigenes Leben mit allen Höhen und Tiefen zurückzublicken.
Jede Protagonistin hat ihre eigenen Kapitel. Die Autorin erzählt lebendig, spannend und anschaulich mit vielen lokalen Bezügen aus ihrer rheinisch dörflich geprägten Heimat vom heutigen Leben der Freundinnen und wie sie gemeinsam ihre Jugend verbracht haben. Es stellt sich immer mehr heraus, dass es in dieser Zeit schwerwiegende Ereignisse gegeben haben muss, welche das Leben aller aus der Clique sehr stark beeinflusst haben.
Rezension: Monika Kaless
Ulrike Renk: Buchreihe: Die große Seidenstadt-Saga (4 Bände). Aufbau Verlag
Jahre aus Seide 2018. 576 Seiten. ISBN: 9783746634418 12,99 €
Zeit aus Glas 2019. 488 Seiten. ISBN 9783746634999 12,99 €
Tage des Lichts 2020. 576 Seiten. ISBN: 9783746635668 12,99 €
Träume aus Samt 2020. 576 Seiten. ISBN: 9783746636986 12,99
Die Bände spielen in Krefeld und die Familie Meyer, besonders Ruth Meyer, ist dort sehr bekannt. In der Merländer-Villa sind die Ereignisse des 2. Weltkriegs aufbereitet. Als die Autorin sich für eine Klassenlesung vorbereitet, stößt sie auf die Familie. Es ist also eine wahre Geschichte mit ein paar künstlerischen Feinheiten dazu, die hier zu Gehör kommt. Die Autorin hat auch noch die Ostpreussen-Saga und die Australien-Saga, jeweils eine wahre Geschichte, geschrieben.
Die Familie ist Jüdisch und glaubt nicht, dass ihr nach dem großen Krieg 1914-1918 etwas passieren kann. Wie sehr soll sie sich täuschen! Die Geschichte fängt in den 30-iger Jahren an und Ruth, die Hauptprotagonistin, verlebt eine schöne Kindheit. Doch die schwarzen Wolken vermehren sich und viele Juden denken ans Auswandern. Allerdings nehmen die anderen Staaten sie nicht auf. Sie sind der Meinung, dass alles nicht so schlimm ist und kein Land will sich mit Hitler anlegen und als die jüdische Bevölkerung schließlich doch ausreisen darf, hat sie kein Geld mehr. Die Hitlerregierung hat ihnen alles weggenommen.
Aber irgendwie müssen sie weg. Ruth kommt durch ihren Cousin auf eine Idee. Das letzte Buch beginnt 1940. Die Autorin lässt sich also Zeit mit ihrer Geschichte.
Ich finde, die Bücher haben einen schrecklichen Bezug zur heutigen Zeit.
Rezensentin: Rosemarie Schmidtke
Die Bagage. Monika Helfer, Hanser 2020. 158 Seiten. ISBN: 978-3-446-26562-2 19,00 Euro
Josef und Maria Moosbrugger leben Anfang des 20. Jahrhunderts am Rande eines Bergdorfes. Die Vorfahren des Familienoberhauptes haben als Träger ohne eigenes Land gearbeitet und sie gehören somit zu den Ärmsten der Gegend. Man nennt sie die Bagage. Allerdings ist Maria Moosbrugger trotz ihrer vier Kinder eine der schönsten Frauen im Dorf und wird von fast allen Männern umworben und begehrt. Als ihr Mann Josef in den 1. Weltkrieg ziehen muss, verlässt er seine attraktive Frau und die Kinder nur sehr ungern. Er bittet den Bürgermeister seines Dorfes, ein Auge auf seine Frau zu haben und diese auch mit Lebensmitteln zu versorgen. Während er im Krieg ist, kommt ein junger schöner Mann aus Hannover und klopft an Marias Haustür. Kurz danach ist Maria schwanger mit der Mutter der Autorin. Mit dieser Tochter wird Josef nie ein Wort sprechen.
In diesem biografischen Roman werden die dramatischen Lebenswege der Familienangehörigen geschildert, welche die Autorin von ihrer Tante erfährt, bei der sie aufwächst. Denn ihre Mutter ist sehr jung gestorben und auch die Großmutter Maria hat sie nur aus den Erzählungen kennengelernt.
Rezension: Monika Kaless
Worauf wir hoffen. Fatima Farheen Mirza, dtv 2019. 477 Seiten. ISBN: 978-3-423-28176-8 24,00 €
Der Roman beginnt mit der Hochzeit der ältesten Tochter einer muslimisch-indischen Migrantenfamilie. Der Sohn Amar, das jüngste Kind, erscheint auf Wunsch seiner Schwester nach dreijähriger Abwesenheit auf dem großen Fest. Er hat sich von seiner Familie getrennt, weil er dieses traditionelle Leben im Elternhaus nicht mehr ausgehalten hat und der Meinung ist, dass er ihre Erwartungen, die sie von ihrem Sohn haben, bei weitem nicht erfüllen kann. Auch die älteste Schwester Hadia versucht ihren eigenen Weg zu gehen und erfüllt nicht immer die Wünsche der Eltern. Sie möchte gerne zur amerikanischen Gesellschaft gehören, dies aber lassen ihre Eltern kaum zu.
Der Vater ist damals extra aus Amerika in sein indisches Heimatdorf gereist und hat sich dort seine Ehefrau gesucht. Die beiden lernen sich erst am Hochzeitstag kennen. Sie leben in der heutigen Zeit vor dem Hintergrund des Attentates auf das World Trade Center in einer Gemeinschaft von Gleichgesinnten in der Nähe von Los Angeles nach wie vor im strengen muslimischen Glauben. Von ihren Kindern erwarten sie, dass diese sich ebenfalls an die Regeln der strenggläubigen islamischen Religionsgemeinschaft halten. Rückblickend erzählt die Autorin aus Sicht der einzelnen Familienmitglieder wie die Kinder aufwachsen, welche Sorgen und Ängste die einzelnen Personen plagen und wie die Töchter und der Sohn ihren eigenen Weg finden, mit den Vorstellungen der sehr gläubigen Eltern zurechtzukommen. Ein ganz besonderer Familienroman!
Rezension: Monika Kaless
Der größte Spaß, den wir je hatten. Claire Lombardo, dtv 2019. 718 Seiten. ISBN: 978-3-423-28198-0 25,00 Euro
Marilyn und David Sorenson sind vierzig Jahre glücklich verheiratet und haben vier höchst unterschiedliche Töchter, deren Leben bis zu einem beliebigen Ende in allen Einzelheiten beschrieben wird.
Der Roman einer amerikanischen Familie wird mit verschieden Zeitebenen geschildert, ist leicht als Urlaubslektüre lesbar.
Rezension: buechereien.ekir.de
Klett-Cotta 2020. 302 Seiten. ISBN: 978-3-608-96463-9 22 Euro
Der deutsche Auswanderer Josef Klein lebt seit den 1920er Jahren in New York. Seine Wohnung liegt im multikulturellen Harlem. Er ist ein großer Fan von amerikanischer Musik und leidenschaftlicher Amateurfunker. Nachdem er und seine Familie nach dem 1. Weltkrieg in Deutschland alles verloren hat, möchte er in Amerika ein einfaches Leben in Freiheit führen. Als Drucksetzer in einer Druckerei muss er Flyer der in den USA agierenden Nazis und Antisemiten drucken. Sein Chef erwartet von ihm, dass er auch zu den Versammlungen dieser Nazi-Schergen geht. Bei einem dieser Treffen wird Klein vom „Amerika deutschen Bund“, dem seine Amateurfunkerei bekannt ist, angesprochen ob er nicht regelmäßig Daten an eine Hamburger Textilfirma senden kann. Es soll sich dabei um harmlose Informationen handeln, die allerdings aus Sicherheitsgründen verschlüsselt werden. Es ist ein gutbezahlter Job. Klein lässt sich darauf ein und gerät damit immer tiefer in das Spionagenetzwerk. Dies führt dazu, dass er aus dieser Tätigkeit nicht mehr aussteigen kann und seine Angst vor den Nazis immer größer wird. Er meldet sich beim FBI und wird somit zum Doppelagenten.
Nach dem Krieg besucht er seinen Bruder und dessen Familie in Neuss und versucht dort wieder in ein normales Leben zurückzukehren. Das gelingt ihm nicht. Er strandet in Südamerika und wird muss sich dort seiner Vergangenheit erneut stellen.
Der historische Roman schildert in präziser und eindringlicher Sprache, welche Macht die Nationalsozialisten vor, während und nach dem Krieg in Nord- und Südamerika hat.
Die Autorin Ulla Lenze ist 1973 in Mönchengladbach geboren, studierte Schulmusik und Philosophie und lebt heute in Berlin. In ihren vorherigen Büchern hat sie sich vorwiegend mit dem Orient beschäftigt. Dies ist ihr 5. Roman.
Rezension: Monika Kaless
Winterbienen. Norbert Scheuer C.H. Beck 2019. 318 Seiten. ISBN: 978-3-40673963-7 22,00 Euro
Bislang zogen die schweren Folgen des zweiten Weltkrieges an den Bewohnern von Kall in der Eifel scheinbar vorbei, doch im letzten Kriegsjahr werden auch hier die Auswirkungen immer dramatischer. Insbesondere für Egidius Arimond, Epileptiker und ehemaliger Lehrer. Er lebt ziemlich zurückgezogen am Rand des Dorfes, kümmert sich intensiv um seine Bienenvölker, hat mit einigen Frauen des Dorfes Liebesverhältnisse und hält sein Leben akribisch in einem Tagebuch fest, das er in einer der Bienenstöcke versteckt. Um Geld für seine Medikamente zu bekommen, unterstützt er eine anonyme Organisation, die jüdischen Menschen zur Flucht nach Belgien verhilft. Seine Rückzugsorte sind seine Bienen, deren Verhalten er genau aufzeichnet, sowie die örtliche Bibliothek, wo er seine Bücher versteckt und sich mit dem Leben seines Vorfahren, des Mönches Ambrosius Arimond, beschäftigt.
Ein vielschichtiger Roman, der aus der Sicht von Egidius sachlich und unaufgeregt in Tagebuchform erzählt wird. Bienen und Staatsformen, Egoismus und Hilfsbereitschaft, Krieg und Flucht sind nur einige Themen dieses sehr gelungenen Romans, der ein mehrmaliges Lesen lohnt! Sehr gerne empfohlen für Leserinnen und Leser, die sich intensiver mit einem Buch auseinandersetzen möchten.
Für dieses Buch erhält der Autor Norbert Scheuer im Oktober 2020 den Evangelischen Buchpreis. Für weitere Informationen zum Buchpreis hier klicken.
Rezension: Monika Kaless
Das Buch Winterbienen wurde von der Ev. Bücherei Kirchberg in einen Videogottesdienst umgesetzt. Wir können das Video sehr empfehlen: